Dolomiten Höhenweg Nr. 2  (Alta Via delle Dolomiti Nr. 2)

stefanmitterer.de

Dolomiten Höhenweg Nr. 2

"Weg der Sagen und Legenden"  von Brixen nach Feltre

Dolomiten Weitwanderweg Nr. 2

2. Teil  -  Puezhütte (Rifugio Puez) - Rifugio Pian dei Fiacconi

 


Schwierigkeit:  Aufgrund der Länge (185 km.)  -  einigen Kletterstellen (bis zum Schwierigkeitsgrad II) und langen, anstrengenden Etappen recht anspruchsvoller Weitwanderweg. Normalerweise werden 13 - 16 Tage benötigt.

Charakter:  Anspruchsvoller, landschaftlich großartiger Höhenweg. Durchquerung der West-Dolomiten von Norden nach Süden. Plose, Aferer Geisler/Peitlerkofel, Geislergruppe, Puezgruppe, Sella, Padón, Marmolada, Bocche, Pala und Feltriner Dolomiten werden durchquert.

Gefahren:  Insgesamt moderat. Bleibt man auf den gut markierten Wegen, ist man trittsicher und schwindelfrei und hat man genug alpine Erfahrung werden kaum Gefahren zu erwarten sein. Schlechtes Wetter oder Neuschnee können (besonders in der Sella und Pala) gefährlich sein. Wer neben dem Weitwanderweg auch Gipfeltouren unternimmt, steigert ggf. die Schwierigkeiten und Gefahren.


1. August - 12. August 2010

12-Tages-Tour in die Dolomiten. Begehung des größten Teiles des Dolomiten Höhenwegs Nr. 2 

Am zwölften Tag mussten wir am Rifugio Treviso aufgrund schlechten Wetters abbrechen. Somit konnten wir den Weitwanderweg nicht ganz beenden - die Durchquerung der Feltriner Dolomiten und somit die Beendigung des Dolomiten Weitwanderweg Nr. 2 folgte im August 2011  -  Feltriner Dolomiten (Dolomiten Höhenweg Nr. 2)

Privat organisierte Tour zusammen mit meiner Mutter Sigrid und unserer Freundin Grete Kraus

*Die Tourenberichte wurden mit Hilfe des Dolomiten-Weitwanderweg Führers  „Dolomiten Höhenwege 1-3  Die großen Dolomiten-Weitwanderwege 1-3“ von Franz Hauleitner (Bergverlag Rother) erstellt*

[Linkes Bild: Civetta 3220 m.   -  Rechtes Bild: Pala  -  vom Rifugio Fuchiade aus gesehen]

[Linkes Bild: Puezgruppe - von links - Piz Duleda 2909 m. - Westliche und Östliche Puezspitze 2918 m. und 2913 m. - Puezkofel 2725 m.   -   Rechtes Bild: Grete, Ich und meine Mutter Sigrid


4. Tag     Puezhütte (Rifugio Puez) – Pisciadúhütte (Rifugio Franco Cavazza Al Pisciadú)

Puezhütte  -  Chiampaijoch  -  Sass da Ciampac  -  Col Toronn  -  Crespeinajoch  -
Cirjoch  -  Grödner Joch  -  Pisciadú Klettersteig  -  Pisciadúhütte

Besteigung folgender Gipfel:

Sass da Ciampac 2667 m.   -   Col Toronn (Col Turond) 2655 m.

[Aufstieg zur Pisciadúhütte über den Pisciadú Klettersteig – Via Ferrata Tridentina  -  Schwierigkeit C]

Bis zum Grödner Joch unschwierige Wanderung auf gut markierten, häufig begangenen Wegen. Der Abstieg zum Grödner Joch ist teilweise steil und anstrengend  -  Trittsicherheit ist durchaus notwendig. Der Pisciadúklettersteig ist einer der beliebtesten und meist begangenen Klettersteige in den gesamten Dolomiten. Staus sind bei gutem Wetter vorprogrammiert. Der ursprüngliche  -  und deutlich leichtere  -  Weg zur Hütte führt durch das Val Setus und bietet ebenfalls herrliche Landschaftseindrücke. Der Klettersteig besitzt die Schwierigkeit C   -   Der Sass da Ciampac  -  höchster Berg im Südosten der Puezgruppe  -  kann auf einem markierten Weg bestiegen werden [Abzweigung im Chiampaijoch]  -  Es ist keine Kletterei erforderlich, eine gewisse Orientierungsfähigkeit ist dennoch erforderlich. Der Col Toronn kann weglos über steile und ziemlich anstrengende Schotter - und Geröllflanken bestiegen werden. Beide Gipfel werden selten bestiegen. Schwierigkeiten: Sass da Ciampac: F+  oder  L+   /   Col Toronn:  F  oder  L   (Bewertung T3+/4-  oder  W3+/4-)

Die heutige Etappe führt von der Puezhütte zunächst ins Ciampaijoch 2366 m. Anschließend  besteige ich den über der Crespeina Hochfläche gelegenen und höchsten Gipfel der südlichen Puezgruppe, den Sass da Ciampac 2667 m.  Ich folge dem Weg nach Westen und besteige noch den nah am Weg liegenden Col Toronn 2655 m. Im Crespeina Joch 2528 m.  treffe ich wieder auf meine Mutter und auf Grete, die den kleinen Umweg über den Sass da Ciampac nicht mitgegangen sind. Von hier führt der Weg  50 Meter abwärts in den Passo Cir (Cirjoch) 2469 m. Nun folgt ein 300 Meter Abstieg zum Grödner Joch (Passo Gardena) 2137 m. Von hier steigen wir nicht durch das Val Settus zur Hütte, sondern über den mittelschweren Pisciadú Klettersteig. Er gilt zu Recht als einer der bekanntesten, beliebtesten und schönsten Dolomiten Klettersteige. Allerdings spiegelt sich dies auch in der Anzahl der Menschen wieder, die diesen Klettersteig gehen.

[Bild: Aufbruch am Morgen  von der Puezhütte, darüber der Puezkofel 2725 m.]

Als wir am frühen Morgen die Hütte verlassen, könnte das Wetter nicht besser sein. In der Ferne erkennen wir die Sella und noch ist sie ganz weit weg. Von der Hütte gehen wir zunächst auf breitem Weg zum Fahnenmast.

[Bild: Blick auf die Puezgruppe, im Hintergrund die Sella]

Von hier führt der Weg über die Puez-Hochfläche in Richtung Ciampaijoch. Ich schaue noch einmal zu den Hauptgipfeln der Puezgruppe zurück.

[Bild: von links  -  Piz Duleda 2909 m.    Westliche Puezspitze 2918 m.    Östliche Puezspitze 2913 m.    Puezkofel 2725 m.]

Zwar bietet die Puezgruppe keine gigantischen 3000er oder Felsgestalten wie die Geislerspitzen oder die Sella. Die, die sich für  Geologie interessierten, zieht sie aber magisch an. In der Puezgruppe kann man die Entstehungsgeschichte der Dolomiten erforschen, wenn einen die Gipfel nicht reizen. Nach Westen hin ist die Sicht komplett frei. Ständig haben wir den mächtigen Langkofel vor Augen. Ein weiteres Wahrzeichen der Dolomiten grüßt herüber: Der Schlern.

[Bild: Schlern 2563 m.  -  davor die Seiser Alm]

Der Weg zum Ciampaijoch ist nirgends schwierig oder gefährlich und immer gut markiert. Aufgrund der Nähe zum Grödner Joch sind hier, je weiter man geht, viele Menschen unterwegs. Als wir eine Abzweigung erreichen, schauen wir Richtung Süd/Osten. Der markante Sassongher (Sass Songher) 2625 m. ist der eindruckvollste und meistbesuchte Berg der Puezgruppe. Von hier aus führt ein Weg in Richtung dieses Berges. Das Rifugio Gherdenacia, neben dem Rifugio Puez einzige Hütte dieser Gruppe kann über den Weg Nummer 7 erreicht werden, wobei die komplette Gardenatscha (Gherdenacia)-Hochfläche durchquert wird. Wir wenden uns jedoch Richtung Süden und gehen immer geradeaus weiter, später durch eine kurze Rinne hinunter und erreichen zügig das Ciampaijoch 2366 m. Auch von hier kann man in Richtung Sassongher weitergehen (Wegnummer 4.) Nach Westen hin kann man ins Langental (Val Lunga) absteigen. Wir verlassen das Ciampaijoch und gehen auf gut markiertem Weg weiter. Nach kurzer Zeit trennen wir uns. Ich wende mich bei einer Abzweigung in Richtung Süden. Grete und meine Mutter gehen auf dem normalen Weg weiter.

[Bild: Crespeina-Hochfläche - der linke, scheinbar höhere Berg ist der Sas Ciampei 2654 m.  -   der höchste Punkt ist der Sass da Ciampac 2667 m.  im Hintergrund]

Mein Ziel ist der Sass da Ciampac, 2667 Meter hoch und der Hauptgipfel der südlichen Puezgruppe. Ich durchquere die Crespeina-Hochfläche und steige zunehmend steiler aufwärts. Der Weg ist nicht immer eindeutig erkennbar, aber gut markiert. Hier sind nicht viele Menschen unterwegs (eigentlich bin ich der Einzige…) Der Weg führt teilweise über Geröll und mündet in einer kleinen Scharte zwischen Sas Ciampei 2654 m. und Sass da Ciampac. Der Weg ist praktisch ständig der Sonne ausgesetzt. Aufgrund der Einsamkeit und dem teilweise gerölligen Gelände sollte man eine gewisse alpine Erfahrung, sowie Trittsicherheit haben. In der Scharte angekommen, wende ich mich nach rechts, Richtung Westen. Auf gut markiertem Pfad steige ich aufwärts. Schließlich überwinde ich ein letztes Hindernis und stehe schließlich auf dem Gipfel. Was für eine Aussicht! Ich überblicke praktisch die komplette Puezgruppe.

[Bild: Puezgruppe bzw. Gardenatscha-Hochfläche, im Hintergrund die Zentralalpen]

Alle Gipfel, auf denen ich gestern stand, schauen zu mir herüber. Langkofel, Heiligkreuzkofel, Cunturinesspitze, La Varella, Civetta, Monte Pelmo und viele andere Gipfel erkenne ich in der Ferne. Der Ciampaisee (Lago di Campaccio) schimmert mystisch in der Sonne. Leider kann ich ihm keinen Besuch abstatten. Ich bleibe 10 Minuten am Gipfel und wende mich dann Richtung Westen.

[Bild: Sella, vom Gipfel des Sass da Ciampac  -  hinten der Piz Boè 3152 m.  -  rechts die Pisciadúhütte  -  in der Mitte die Cima Pisciadu 2985 m.]

Vom Sass da Ciampac steige ich auf markiertem Weg abwärts. In stark gerölligem Gelände quere ich die Nordflanke des Col Toronn. Kurz vor dem Crespeina Joch lasse ich meinen Rucksack am Weg. Es gibt keinen Weg auf den Col Toronn. Man kann den Gipfel nur erreichen, indem man über die sehr steile und rutschige Nordflanke aufsteigt. Ich quäle mich etwa 100 Meter aufwärts und stehe schließlich am Gipfel. Ich kann diesen Aufstieg bzw. Gipfel nur denjenigen empfehlen, die wirklich erfahren im weglosen Gelände sind. Erneut kann ich eine fantastische Aussicht genießen. Sogar unser heutiges Tagesziel, die Pisciadúhütte ist erkennbar. Die mächtige Cima Pisciadu darüber dominiert das Bild. Ich bleibe nur kurz am Gipfel und steige zügig zurück auf den Weg ab. Wieder auf dem Weg wende ich mich Richtung Westen, steige ein Stück abwärts und erreiche schließlich das Crespeina Joch, wo Grete und meine Mutter bereits warten. Dieser letzte Abschnitt zum Joch führt teilweise durch felsiges Gelände. Im Joch machen wir eine kurze Pause und wenden uns dann Richtung Süden.

[Bild: Val Chedul - links erkennt man den Weg zum Cir Joch bzw. Passo Cir]

Wir queren die Westflanke des Col Toronn und steigen in steilen Kehren gegen das Val Chedul (Chedul-Tal) hinab zu einer Teilung. Von hier führt der Weg, immer gut markiert, in Serpentinen nach links empor zum Joch. Als wir das Joch erreichen bietet sich uns ein fantastischer Blick auf die Nordabstürze der Sella. Die eleganten Cirspitzen, Reich der Klettersteigeragen westlich vom Joch in den Himmel. Der Blick in die Ferne Richtung Antelao, Nuvolau, Croda da Lago, Mone Pelmo und Civetta ist nicht weniger eindrucksvoll.

[Bild: Langkofel 3181 m.]

Nach einer kurzen Pause steigen wir auf gut markiertem Weg abwärts. Der Weg schlängelt zwischen zahlreichen Felstürmen hindurch.

[Bild: Gigantischer Felsturm zwischen Passo Cir (Cir Joch) und Grödner Joch]

Teilweise über Blockwerk, aber nirgends schwierig, führt der Weg über mehrere Scharten an den Südwänden der Cirspitzen entlang. Durch schrofes Geröllgelände steigen wir relativ steil, in vielen Windungen und Kehren nach Süden abwärts. Ständig haben wir den Langkofel vor Augen.

[Bild: Langkofel 3181 m.]

Schließlich erreichen wir die Malga Clark 2222 m. Es herrscht wortwörtlich Volksfeststimmung. Unglaublich viele Menschen sind unterwegs. Nach einer kleinen Stärkung, steigen wir auf bezeichnetem Weg über Wiesenhänge abwärts und zuletzt in Kehren erreichen wir das Grödner Joch 2137 m.

[Bild: Grödner Joch]

Das Grödner Joch (Passo Gardena) 2137 m. ist einer der bedeutendsten Dolomitenpässe. Touristen, Souvenirläden und Motorräder dominieren die Szenerie. Vor uns erhebt sich die mächtige Sella. Ihr Anblick ist wahrlich atemberaubend. Vom Grödner Joch steigen wir am begrünen Nordrücken des Sass de la Luesa in Kehren aufwärts. Wir wenden uns nach Osten und steigen unter den Nordwänden der Sella auf gut markiertem Weg weiter, wobei er teilweise über Geröllhänge führt.

[Bild: Cirspitzen 2592 m. und das Grödner Joch 2137 m. vom Weg zum Einstieg des Pisciadú Klettersteigs]

Schließlich erreichen wir eine Abzweigung. Von hier führt der normale Weg hinauf zur Pisciadúhütte durch das Val Setus. Wir jedoch gehen noch ein Stück weiter, wir wollen über den Pisciadú Klettersteig zur Hütte aufsteigen. Knapp über der Baumgrenze steigen wir auf angelegtem, bezeichnetem Weg aufwärts. Zwischen großen Felsblöcken hindurch, führt der Weg unterhalb des Bruneckerturm zum Einstieg.

[Bild: Auf dem Weg zum Einstieg des Pisciadú Klettersteigs]

Der Pisciadú Klettersteig ist einer der meistbegangenen Klettersteige der Dolomiten. Die Schwierigkeiten bewegen sich meistens zwischen A-B, wobei auch C Stellen zu bezwingen sind. Die Schwierigkeiten nehmen nach oben hin zu. Vor dem letzten, schwierigsten Teil des Klettersteiges kann man aussteigen und den letzten Abschnitt auf normalem Weg zur Hütte gehen. Luftige Quergänge wechseln sich mit Leitern und Eisenstiften sowie senkrechten Aufschwüngen ab. Aufgrund der Nähe zum Grödner Joch ist der Klettersteig regelmäßig überfüllt. Staus sind die Folge. Der Fels ist meistens griffig. Die Orientierung fällt dank des durchgehenden Drahtseils leicht. Aufgrund der vielen Begehungen gibt es kaum loses Geröll, das Steinschlag auslösen könnte. Wir legen den Klettergurt und Klettersteigset an und beginnen mit Aufstieg.

[Bild: Pisciadú Klettersteig]

Über leichten, gestuften Fels geht es aufwärts. Wir überwinden eine wenig steile Passage (A-B). Kurz vor dem Rastpunkt, unterhalb des Oberen Pisciadú-Wasserfalls, heißt es eine erste steilere Passage zu überwinden (B). Wir klettern wir über griffige Felsblöcke, wobei Eisenstifte helfen. Dieser erste Abschnitt übersteigt an keiner Stelle den Schwierigkeitsgrad B. Vom Rastpunkt geht es zunächst sanft ansteigend, dann über steilen Fels zu einer leicht überhängenden Leiter (B-C). Daraufhin folgt eine lange, anstrengende, ausgesetzte Querung, wobei erneut Eisenstifte die Angelegenheit erleichtern (B-C). Von hier hat man einen beeindruckenden Blick auf den Wasserfall. Nach einem luftigen Winkel (B) folgt ein leichter, sanfter Anstieg zu einem Rastpunkt und bereits angesprochener Weggabelung. Hier kann man auf den leichten Weg ausweichen und auf normalem Weg zur Hütte gehen. Meine Mutter hat hier bereits einmal abgebrochen. Nun geht sie den Klettersteig zu Ende. Mir macht der Klettersteig viel Spaß. Ich genieße das abwechslungsreiche Klettern. Der schwierigere Teil des Klettersteigs führt steil bis senkrecht (teilweise überhängend) durch enge Kamine und ausgesetzte Wandpassagen. Künstliche Tritte und Griffe erleichtern mehrmals die Angelegenheit. Die schwierigste Stelle bildet eine glatte Wand, unterhalb einer massiven Eisenleiter. Die Hängebrücke zum Schluss ist das Highlight des Klettersteigs.

[Bild: Kurz vor der Hängebrücke, am Ende des Klettersteigs]

Der schwierigere zweite Teil beginnt mit einer diagonal ansteigenden Querung (B). Nun folgt eine erste, sehr steile Passage, mit wenigen Steighilfen (C). Unterhalb einiger überhängender Felsen geht es über eine ausgesetzte Querung weiter zu einem senkrechten Anstieg (C). Gute Tritte und Griffe helfen. Wir überwinden eine leicht überhängende Leiter mit Eisenbügeln (B-C). Senkrecht bis leicht überhängend geht es weiter durch einen Kamin (B-C) bis wir schließlich die Schlüsselstelle erreichen. Eine in einer Felsnische gelegene, glatt polierte Wand (C). Zwar helfen ein paar Eisenstifte, die allerdings weit auseinander liegen. Nach diesem schwierigen Teil folgt eine kaum weniger schwierige Eisenleiter (C), wobei der Ausstieg aus eben jener, recht schwierig ist. Zwischendurch schaue ich immer wieder zur mächtigen Cima Pisciadu 2985 m.

[Bild: Cima Pisciadu 2985 m. und links daneben der Torre Pisciadu 2882 m.]

In einer markanten Felseinbuchtung machen wir kurz Pause. Einige Eisensprossen helfen beim folgenden Übergang zur Südseite des Exnerturms (B). Nach einem leichten, letzten Quergang folgt das besagte Highlight des Klettersteiges: die Hängebrücke.

[Bild: Hängebrücke des Pisciadú Klettersteigs]

Wir überqueren die beängstigend, steile Schlucht, machen ein paar Fotos und gehen das letzte Stück zum Ausstieg (A). Wir haben den Pisciadú Klettersteig geschafft. Für mich war es der erste, richtige Klettersteig und sicher nicht der Letzte. Bis zur Hütte ist es nun nicht mehr weit.

[Bild: Pisciadúhütte]

Wir folgen dem markierten, angelegten Weg Richtung Süd/Osten und nach wenigen Minuten erreichen wir die Hütte. Die Pisciadúhütte 2587 m. ist eine wunderschön gelegene Hütte. Viele Tagesgäste kommen den normalen Weg vom Grödner Joch hinauf um einmal im Schatten der mächtigen Cima Pisciadu die Aussicht zu genießen.

[Bild: Sella-Giganten über dem Val de Mesdi - von links - Pizkofel (Tor del Boè) 2827 m.  Boéseekofel (Piz del Lec) 2910 m.  Zehnerkofel (Sasso delle Dieci) 2916 m.]

Wir besorgen uns unser Zimmer und planen den morgigen Tag. Als alle Tagesgäste abgezogen sind, wird es deutlich ruhiger in und um die Hütte. Es ist eine sehr saubere und gemütliche Hütte, in der man sich nur wohl fühlen kann. Das Essen ist ebenfalls ausgezeichnet. Wir genießen den Sonnenuntergang und lassen den Tag Revue passieren.

[Bild: Vallon del Pisciadu, hinten der Rand des Sella-Plateaus - links erkennt man den Weg in Richtung Val de Tita]

[Bild: Sass dai Ciamorces (Le Meisule) 2999 m.]

[Bild: Heiligkreuzkofel 2907 m. von Westen - links der Zehnerkofel (Sasso delle Dieci) 3026 m.  -  rechts La Varella 3055 m. und die Cunturinesspitze 3064 m.  -  über dem Valle di San Cassiano]

Da am Abend Nebel aufzieht, gehe ich nicht ganz zufrieden ins Bett. Denn für den morgigen Tag ist gutes Wetter (eigentlich) eine Voraussetzung. Unser morgiges Ziel ist nämlich der Piz Boè 3152 m.

[Bild: Kreuzkofelgruppe beim Sonnenuntergang]

5. Tag     Pisciadúhütte (Rifugio Franco Cavazza Al Pisciadú) – Rifugio Capanna Fassa (Piz Boè 3152 m.)

Pisciadúhütte  -  Val de Tita  -  Sella Hochfläche  -  Forcella d ` Antersass  - 
Zwischenkofel  -  Boèhütte  -  Piz Boè (Capanna Fassa)

Besteigung folgender Gipfel:

Zwischenkofel (L`Antersass) 2908 m.   -   Piz Boè 3152 m.

Landschaftlich eindrucksvoller Anstieg von der Pisciadúhütte auf die Sella Hochfläche. Die Durchquerung dieses mächtigen Plateaus  -  der "Gralsburg der Ladiner"  -  ist bei gutem Wetter unschwierig und bietet eine Reihe großartiger Landschaftsbilder. Bei Nebel oder schlechtem Wetter wird diese Etappe riskant und gefährlich, da die Orientierung dann sehr schwierig wird. Die Besteigung des Zwischenkofels ist unschwierig. Von seinem Gipfel  -  dem Herzen der Sella  -  hat man eine grandioses Panorama. Der Aufstieg von der Boèhütte zum höchsten Gipfel der Sella  -  dem Piz Boè  -  führt über Geröll und verlangt Trittsicherheit. Am Gipfel hat man eine großartige, einmalige Rundsicht auf weite Teil der gesamten Dolomiten. Eine Übernachtung in der Gipfelhütte wird bei schönem Wetter zum großen Erlebniss. Schwierigkeit: Zwischenkofel:  F  oder  L   /   Piz Boè:  F+  oder  L+   (Bewertung T2-3  oder  W2-3)

Heute steht eine relativ kurze Etappe auf dem Programm. Von der Pisciadúhütte 2587 m. steigen wir zunächst  aufwärts in das Val di Tita und von dort weiter auf die Sella-Hochfläche. Über das weitläufige Plateau gehen wir weiter, besteigen  den Zwischenkofel (L`Antersass) 2908 m. und erreichen schließlich die Boèhütte (Rifugio Boé) 2871 m. Von dort geht es nach einer kurzen Pause, noch 300 Meter aufwärts, auf den Piz Boè und zur Gipfelhütte – Rifugio Capanna Fassa 3152 m.

Was ich am Abend zuvor bereits befürchtet hatte, ist eingetroffen. Der Nebel hat sich nicht aufgelöst. Er ist eher noch dichter geworden. Ausgerechnet heute, wo die Etappe über das Sella-Plateau auf dem Programm steht. Nebel ist dabei eigentlich ein No-Go. Wir machen uns dennoch auf, schließlich sind wir nicht zum ersten Mal in den Bergen unterwegs. Wir wollen die Reise fortsetzten. Der Hüttenwirt hat uns zudem gesagt, dass das Wetter besser werden soll. Ob heute oder morgen wusste er nicht  (...)

Es ist jedem selbst überlassen, ob er alleine oder mit Freunden bei Nebel  in die Berge geht. Eigentlich ist dies nicht empfehlenswert. Wer sich aber im Gelände auskennt und/oder über große alpine Erfahrung verfügt kann auch (dennoch mit großer Vorsicht) weitergehen. Von der Hütte steigen wir zunächst ein Stück ab, in Richtung Lago Pisciadú (Pisciadúsee)

[Bild: Pisciadúsee im Nebel - oberhalb des Sees verläuft der Weg hinauf in das Val de Tita]

Am linken Rand des Vallon del Pisciadu gehen wir unter der riesigen Westwand der Cima Pisciadú entlang. Der Weg führt über Geröll, ist gut markiert und noch haben wir keine Probleme mit dem Nebel.

[Bild: Auf dem Weg ins Val de Tita - der Weg verläuft praktisch wärend des ganzen Weges über Geröll oder Blockwerk]

Leider verhindert er das Fotografieren, was ich sehr bedauere. Der letzte Abschnitt hinauf in das Val de Tita verlangt Trittsicherheit. Über Felsstufen geht es auf gesichertem Steig bergauf. Bei gutem Wetter und trockenem Fels gewiss kein Problem, bei den Bedingungen wie wir sie haben etwas heikel. Die Drahtseile helfen in jedem Fall enorm.

[Bild: Drahtseile erleichtern den Aufstieg]

Oben angekommen gehen wir auf markiertem Weg weiter. In diesm Bereich der Sella, südlich der Cima Pisciadu, halten sich bis in den Sommer hinein auch Schneefelder. Teils über Blockwerk und Geröll gehen wir auf markiertem Weg weiter, bis wir einen großen Stein erreichen.

[Bild: Schneefelder bzw. Altschnee, Blockwerk und Geröll und natürlich das Wetter fordern Konzentration und Aufmerksamkeit]

Auf ihm steht „Cima Pisciadu“ geschrieben und ein roter Pfeil deutet nach links. Das schlechte Wetter verhindert die Besteigung dieses begehrten Gipfels. Wir wenden uns nach rechts und steigen im Linksbogen aufwärts. Bei gutem Wetter kann man ein Stück vom Weg abweichen (wo der Weg sich nach Süden wendet) und dem Bamberger Sattel einen Besuch abstatten, von wo man einen sagenhaften Blick auf den Dent de Mesdi 2881 m. hat. Der Weg auf das Sella-Plateau führt über Geröll und ist gut markiert. Das Wetter hat sich unterdessen verschlechtert. Neben dem Nebel macht uns nun auch eine höchst unsympathische Mischung aus Schnee und Hagel, starkem Wind und Kälte zu schaffen. Spaß macht die ganze Sache nicht mehr.  Am liebsten wären wir jetzt schon in der Capanna Fassa 3152 m. oder zumindest bei der Boèhütte 2871 m. Nach kurzer Zeit haben wir das Val de Tita verlassen. Über Felsabsätze erreichen wir eine Schulter. Hier helfen einige Stangen zur Orientierung. Über Geröll und einige weitere Felsabsätze erreichen wir den Rand des Sella-Plateaus (ca. 2950 m.)

[Leider habe ich keine Bilder vom Sella-Plateau machen können, da das Wetter wirklich sehr schlecht war, es kaum Dinge gab, die man hätte fotografieren können und weil wir zudem keine Zeit zum Fotografieren hatten - wir wollten einfach so schnell wie möglich weiter zur Boèhütte bzw. zur Capanna Fassa]

Von hier hat man bei gutem Wetter tolle Ausblicke auf den Piz Boè und den Sass Pordoi 2952 m. Über den Weg Nr. 666 geht es das Karrenplateau nach Süd/Osten hinunter. Zwar gibt es auch hier Markierungen, der Schnee macht es aber immer schwerer, diese auszumachen. Wir erreichen eine Wegabzweigung. Hierhin führt der Weg Nr. 649, besser bekannt als Pößnecker Klettersteig. Zur linken befindet sich laut Karte zudem der Sass de Mesdi 2978 m.  -  einer der höchsten Gipfel der Sella. Wir steigen den gerölligen Weg weiter ab und erreichen die Forcella d`Antersass (Zwischenkofelsattel) 2830 m.  -  eine Einmündung zwischen Sass de Mesdi und Zwischenkofel 2908 m. Nach Westen führt eine Abzweigung in das Val Lasties (Weg Nr. 647)  -  Von der Scharte gehen wir weiter nach Süden, zum Zwischenkofel. Bei einer Verzweigung machen wir eine kurze Pause und studieren die Karte. Von hier hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man geht um den Zwischenkofel herum („Coburger Weg“  - markierter Steig, einige Drahtseile, führt über Geröll…) oder man überschreitet, wie wir, den Zwischenkofel (L`Antersass) 2908 m. Auf seinem schrofen Nordrücken steigen wir in Kehren rasch aufwärts. Der geröllige Weg ist gut markiert und nach kurzer Zeit erreichen wir den unspektakulären Gipfel. Dies ist das Herz der Sella. Wir stehen sozusagen in der geografischen Mitte dieser Dolomitengruppe.  Bei gutem Wetter hat man hier eine gigantische Aussicht (Dent de Mesdi!  -  Heiligkreuzkofel 2907 m.  -  Cunturinesspitze 3064 m.  -  Tofanen 3244 m.  -  Sorapiss 3205 m. und sogar der Zentralalpenkamm mit den Zillertaler Alpen)  Dass wir nicht lange am Gipfel bleiben, dürfte nicht verwundern. Über den Südrücken des Zwischenkofels geht es problemlos hinunter zu einem Sattel 2850 m. Hier mündet der eben erwähnte Coburger Weg. Bis zur Boèhütte ist es jetzt nicht mehr weit. Über gerölliges Gelände führt der Weg vom Sattel nach Süden. Mäßig ansteigend geht es die Hochfläche aufwärts und schließlich erkennen wir im Nebel die Schemen der Boèhütte 2871 m. Völlig durchnässt erreichen wir die Hütte. Die Boéhütte (Rifugio Boé) ist eine sehr gemütliche, stark besuchte Berghütte. Bedingt durch die Pordoi-Seilbahn ist sie regelmäßig überlaufen, wobei die meisten Gäste nur Tagesgäste sind. Sie hat deswegen auch nur 38 Betten und 31 Lagerplätze. Wir wechseln die nassen Klamotten und stärken uns ein wenig. Doch noch haben wir es nicht geschafft. Wir müssen noch 300 Meter aufwärts.

[Bild: Auf dem Weg zum Piz Boè]

Denn unser Ziel ist der Hauptgipfel der Sella, der Piz Boè 3152 m. Wir verlassen die warme, gemütliche Hütte, wenden uns nach Süd/Osten und folgen dem gerölligen Weg Richtung Piz Boé. Es liegt mittlerweile so viel Schnee, dass die Markierungen nicht mehr auszumachen sind. Trittspuren im Schnee leiten uns aber nach oben. Der teilweise mit Drahtseilen versicherte Weg auf den Piz Boè von der Boèhütte her (es gibt viele verschiedene Anstiege auf den Piz Boè) ist nicht schwierig.

[Bild: Forcella dai Ciamorces 3110 m.  -  kurz vor dem Gipfel des Piz Boè 3152 m.] 

Wir queren eine Steilstufe mithilfe der Drahtseile. Anschließend steigen wir über die Westflanke zum blockigen Grat aufwärts und an diesem geht es weiter. Wir erreichen die Forcella dai Ciamorces 3110 m. Nun ist es nicht mehr weit. Wir gehen weiter, bis wir schließlich die Capanna Fassa und damit den Piz Boè 3152 m. erreichen. In der Hütte erst mal ein Schock: Mindestens 30 Menschen tummeln sich in dem engen Eingangs – und Aufenthaltsraum. Da draußen immer noch der Schneesturm tobt, haben sich alle Bergsteiger in die Hütte zurückgezogen.

[Bild: Telefon Reflektor auf dem Gipfel des Piz Boè 3152 m.]

Zum Glück verschwindet die große Gruppe nach kurzer Zeit. Für einige von ihnen war es der erste 3000er. Leider bei richtig schlechtem Wetter. Wir besorgen uns unser Zimmer und hängen die nassen Sachen zum Trocknen auf. Die Capanna Fassa hat eine einzigartige Lage. Da die Sella im Herzen der Dolomiten liegt, hat man vom Gipfel eine entsprechend umfassende Aussicht. Die Marmolada ist dabei DER Blickfang.

[Bild: Gipfel-Madonna auf dem Piz Boè 3152 m.]

Nachdem wir uns gestärkt haben, verbringe ich den restlichen Tag damit auf besseres Wetter zu warten. Schließlich will ich noch ein paar schöne Fotos machen. Doch das Wetter wird nicht besser (es sollte erst nach Mitternacht aufhören zu schneien)  Schließlich gebe ich die Sache auf und beginne den morgigen Tag zu planen.

[Bilder von der Hütte und allgemein vom Gipfel gibt es beim nächsten Tag, an dem das Wetter dann wieder gut war]   ;)

Die morgige Etappe wird uns bis zur Marmolada führen. Sie zu besteigen wird aber aufgrund der großen Massen an gefallenem Schnee wohl nicht möglich sein, da unsere einzige Möglichkeit der Marmolada Klettersteig gewesen wäre und er bei Neuschnee viel zu gefährlich ist. Ziel des morgigen Tages ist in jedem Fall das Rifugio Pian dei Fiacconi.


6. Tag     Rifugio Capanna Fassa (Piz Boè 3152 m.)  -  Rifugio Pian dei Fiacconi

Piz Boè (Capanna Fassa)  -  Punta di Soél  -  Sass Pordoi  -  Pordoijoch  -
Bindelweg (Vièl del Pan)  -  Pian Fedaia  -  Rifugio Fiacconi

Besteigung folgender Gipfel:

Sass Pordoi 2952 m.   -   Punta di Soél (Punta di Joel) 2948 m.
 
Der Abstieg von der Capanna Fassa nach Süden ist bei Schneelage (bzw. bei Nässe) heikel, da dann der  -  teilweise lehmige  -  Untergrund teuflisch glatt wird. Drahtseile erleichtern den Abstieg. Trittsicherheit ist unbedingt notwendig. Die Punta di Joel kann über Geröll und Blockwerk weglos von der Hochfläche aus bestiegen werden. Der Weg zum Sass Pordoi führt über Geröll und Schutt, wird aber sehr häufig (aufgrund der Seilbahnnähe) begangen und ist vollkommen unschwierig. Die Benutzung der Seilbahn ist stets eine Frage der moralischen Überzeugung [...]  -  der Abstieg vom Sass Pordoi zum Pordoijoch ist in jedem Fall nicht unbedingt notwendig. Der südlich vom Pordoijoch vom Rifugio Fedarola zum Lago Fedaia führende Bindelweg ist einer der eindrucksvollsten Höhenwege in den Dolomiten. Grandiose Ausblicke zur "Königin der Dolomiten"  -  der Marmolada. Trittsicherheit jedoch unbedingt notwendig. Der  -  ziemlich öde und über tristes Moränengelände führende  -  Aufstieg zum Rifugio Pian dei Fiacconi kann durch die Benutzung eines Korbliftes vermieden werden. Schwierigkeit: Punta di Soél:  F  oder  L   /   Sass Pordoi:  F  oder  L   (Bewertung T3-/3  oder  W3-/3)
 
Die heutige Etappe wird uns zur Marmolada führen. Von der Capanna Fassa (Piz Boè 3152 m.) steigen wir zunächst etwa 250 Meter nach Süd/Westen ab. Anschließend besteige ich die Punta di Soél (Punta di Joel) 2948 m.  -  einen leicht erreichbaren Aussichtsgipfel am Südrand der Sella. Wieder auf dem Weg, folgen wir dem Weg Richtung Rifigio Forcella Pordoi 2849 m. Von dort geht es 100 Meter aufwärts, auf den Gipfel des Sass Pordoi 2952. Wir nutzen die Seilbahn, die uns zum Pordoi Joch (Passo Pordoi) 2242 m. bringt. Von hier steigen wir Richtung Süden aufwärts zum Rifugio Sass Beccei 2423 m. Hier beginnt der berühmte Bindelweg (Viel del Pan) – Wegnummer 601, der uns zum Lago di Fedaia führt. Hier nutzen wir erneut (und zum letzten Mal) die Hilfe eines Liftes (bzw. einer Stehgondelbahn  „Telecabina“)  der uns zum Tagesziel, dem Rifugio Pian dei Fiacconi bringt.

Als ich am Morgen aus dem Fenster schaue, ist die erhoffte Fernsicht zwar nicht eingetroffen, das Wetter ist aber in jedem Fall besser. Nebel und Wolken behindern die Aussicht, aber die Sonne scheint  und das ist schließlich das Wichtigste. Nachdem ich am Tag zuvor keine Chance hatte eine paar Fotos vom Gipfel und der Hütte zu machen, nutzte ich die Zeit bis zum Aufbruch ausgiebig dafür aus.

[Bild: Rifugio Capanna Fassa auf dem Piz Boè 3152 m.]

Bei nebel – und wolkenfreiem Wetter ist der Piz Boé gewiss einer der schönsten Aussichtspunkte der Dolomiten. Es ist der 6. August und wir haben etwa 15 cm. Neuschnee.

[Bild: Blick auf den Sass Pordoi 2952 m. beim Abstieg vom Piz Boè]

Der komplette Gipfel und alles oberhalb von 2800 Meter ist eingeschneit. Dadurch wird der 300 Meter Abstieg vom Piz Boé, ich will nicht sagen gefährlich, aber er wird in jedem Fall etwas knifflig.

[Bild: Abstieg vom Piz Boè bei Neuschnee]

Von der Hütte steigen wir auf dem Weg Nr. 638 in Richtung Süd/Westen ab. In vielen Kehren windet sich der steile und geröllige Weg nach unten. Zwar sind keine Markierungen auszumachen, sich zu verlaufen ist aber praktisch unmöglich. Bedingt durch den Neuschnee und an manchen Stellen sogar Vereisung, erfordert dieser Abschnitt höchste Konzentration.

[Bild: Der Neuschnee erfordert höchste Konzentration]

Nach Westen hin, ist die Sicht fast komplett frei. Wir sehen den Sass Pordoi und die verschneite Sella – Hochfläche. Über viele Felsstufengeht es immer weiter abwärts, einige (vereiste) Drahtseile erleichtern den Abstieg. Unten angekommen wende ich mich sogleich nach Süden und mache mich auf, die Punta di Soél zu besteigen. Zwar ist dies kein berühmter oder besonders formschöner Gipfel, aber dafür ein klasse Aussichtspunkt und dazu selten besucht. Über die steile Nordflanke geht es über Geröll etwa 100 Meter aufwärts, bis ich schließlich den kleinen Gipfel erreiche, der von einem Steinmännchen bewacht wird.

[Bild: Piz Boè 3152 m. von der Punta di Soél 2948 m.  -  durch das schneefreie Stück Wand führt der sehr schwierige Piazzetta Klettersteig auf den Piz Boè]

Ich genieße die Aussicht auf den Piz Boé und auf das Sella – Plateau, wobei die Sicht auf die Marmolada leider verhindert wird. Nach kurzer Zeit mache ich mich wieder auf. Über die geröllige Flanke steig ich in Kehren abwärts, bis ich wieder bei Grete und meiner Mutter stehe.

[Bild: Was für ein schönes Foto - wir Drei mit dem Piz Boè im Hintergrund]     ;)

Gemeinsam wenden wir uns nach Westen und folgen dem gerölligen Weg 627 in Richtung Forcella Pordoi 2848 m. Der Weg dorthin ist trotz des Neuschnees nirgends schwierig. Immer wieder schauen wir zurück zum Piz Boé, der so stark zugeschneit besonders eindrucksvoll aussieht. Aber auch der andere Teil der Sella, das Hochplateau ist ein Blickfang. Zum ersten Mal kann ich den Blick über diese Mondlandschaft schweifen lassen und ich bin zutiefst beeindruckt. Kurz vor der Forcella Pordoi und der gleichnamigen Hütte kommen uns die ersten Touristen entgegen. Zwar werden wir ebenfalls die Pordoi – Seilbahn in Anspruch nehmen, ich denke jedoch, dass wir uns den Piz Boé ehrlich erarbeitet haben. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass man so wenig Hilfe (z.B. von Seilbahnen) wie möglich in Anspruch nehmen sollte. Man sollte die Gipfel und Hütten auf ehrliche und traditionelle Art und Weise, nämlich zu Fuß erreichen bzw. besteigen.

[Bild: Rifugio Forcella Pordoi 2848 m.]

Als wir das Rifigio Forcella Pordoi erreichen, ist aus den paar Touristen eine riesige Menschenmasse geworden. Und das obwohl es noch nicht einmal Mittag ist. Von der Scharte kann man auch den normalen Weg hinunter zum Pordoi Joch gehen. Neben der Scharte erhebt sich der markante Sass de Forcia. Hier noch eine kurze Wegbeschreibung bzw. kurze Aufzählung der Anforderungen usw. für den Abstieg zum Pordoi Joch 2242 m.

[Der Weg durch die Pordoirinne ist steil. Man steigt durch die Schlucht abwärts, wobei der Weg teilweise über Geröll führt und manchmal (im Frühsommer) auch Schneefelder vorhanden sind. An manchen Stellen helfen Drahtseile. Bei schönem Wetter hat man prachtvolle Blicke auf die senkrechten Südwände des Sass Pordoi, sowie auf die Marmolada. Je tiefer man kommt, desto leichter wird der Weg. Nachdem der Weg teilweise auch über Blockwerk führt, erreicht man schließlich eine grasige Schulter. Von hier geht es links eine geröllige Rinne hinunter und dann nach Süd/Osten abwärts. Zum Schluss geht es über flache Grasfächen zum M. Forca 2357 m. und weiter über sanfte Wiesen zum Pordoi Joch. Trittsicherheit und gute Verhältnisse sind Voraussetzungen für diesen Abstieg.]

[Bild: Sass de Forcia 2923 m.]

Wir machen uns jedoch auf zum Gipfel des Sass Pordoi 2952 m. Vom Rifugio Forcella Pordoi steigen wir westwärts etwa 100 Meter aufwärts.

[Bild: rechts erkennt man den Weg von der Forcella Pordoi in Richtung Piz Boè, in der Mitte die Punta di Soél 2948 m.]

Der angelegte Weg ist nicht schwer und nach wenigen Minuten stehen wir auf dem gründlich verschandelten Gipfel des Sass Pordoi. Ursprünglich war dies bestimmt mal ein ursprünglicher, schöner Gipfel. Die Seilbahn hat ihm jedoch jegliche Erhabenheit genommen.

[Bild: Sella - Plateau vom Sass Pordoi aus, davor das Val Lasties]

[Bild: Der mit Neuschnee überzogene Piz Boè 3152 m.  -  vom Gipfel des Sass Pordoi 2952 m.]

Wir genießen die fantastische Sicht auf das Sella - Plateau und auf den Piz Boé. Die Marmolada will sich jedoch weiterhin nicht zeigen. Auch der Langkofel im Westen bleibt verborgen. Wir kaufen uns unsere Tickets und schweben hinunter zum Pordoi Joch 2242 m.

[Bild: Pordoi Joch bzw. Passo Pordoi 2242 m.]

Der Passo Pordoi ist einer der wichtigsten Pässe der Dolomiten. Über ihn führt die große Dolomitenstraße. Mehrere Souvenirläden, Restaurants und Hotels prägen das Landschaftsbild. Die vielen Menschen muss ich wohl nicht mehr ansprechen. Bei besserem Wetter hat man von hier eine fantastische Aussicht. Im Osten befinden sich neben der Kreuzkofel – Fanisgruppe, der Nuvolau 2575 m.  - die Tofanen und die Croda da Lago 2709 m. Im Westen präsentieren sich die Langkofelgruppe und der Rosengarten. Im Norden thront der mächtige Sass Pordoi und würde die Padòngruppe im Süden (Bergkette zwischen Sella und Marmolada, wichtigste Berge: Sass Becè 2534 m.  -  Col del Cuc 2558 m.  -  Sasso Cappello 2557 m.  -  Portavescovo 2650 m.  -  La Mesola 2727 m.  -  Monte Padòn 2510 m.) nicht die Sicht auf die Marmolada verhindern, das Pordoi Joch wäre wohl der berühmteste aller Dolomiten Pässe.

[Bild: Sella von Süden, links die Punta di Soél 2948 m.]

Vom Pordoi Joch gehen wir den Weg Nr. 601 unter der Ostwand des mächtigen Sass Becè entlang. Der Weg hinauf zum Rifugio Sass Beccei führt an Grashängen entlang und ist gut markiert. Auf dem breiten, ausgetretenen Weg steigen wir südwärts immer weiter bergauf, bis wir einen Sattel erreichen. Vor uns ragt der mächtige Gran Vernel 3210 m. in den Himmel.

[Bild: Gran Vernel 3210 m. von Norden]

Wir erreichen das Rifugio Sass Beccei, gehen jedoch gleich weiter. Östlich, ein Stück abwärts, steht das Rifugio Fredarola 2388 m.  -  eine kleines, privates Haus mit 4 Betten und 20 Lagern. Nun sehe ich auch zum ersten Mal in meinem Leben die Marmolada 3343 m. den höchsten Berg der Dolomiten. Fantastisch!

[Bild: Marmolada 3343 m. von Norden]

Zwar ist alles oberhalb von 3000 Metern in den Wolken, dennoch ist ihr Anblick eine Augenweide. Ich schaue auf den Westgrat der Marmolada und muss feststellen, dass der Grat und damit auch der Klettersteig komplett zugeschneit ist. Aus der geplanten Besteigung wird leider nichts. Immer noch ein wenig enttäuscht gehe ich weiter. Eins ist mir jedoch klar: Ich werde auf dem Gipfel der Marmolada Punta di Penia 3343 m. stehen. Und das werde ich auch in den nächsten Jahren schaffen. Ich habe es mir fest vorgenommen.

Vom Rifugio Fredarola wenden wir uns nach Osten. Was nun folgt ist vielleicht der schönste und berühmteste aller Dolomitenwege: Der Bindelweg (Viel del Pan)  -  er führt an den Grashängen der Padòngruppe entlang, die Marmolada immer zur Rechten.

[Bild: Bindelweg (Viel del Pan) vom Rifugio Sass Beccei aus gesehen - der Weg führt an den Grashängen des Padònkammes entlang in Richtung Lago di Fedaia]

Auf dem breiten und angelegten Weg Nr. 601 gehen wir um die Südausläufer des Col del Cuc 2558 m. herum. Der Weg führt entlang der steilen Grashänge und ist nirgends schwierig. Man geht praktisch während des ganzen Wegs geradeaus und bis auf einige wenige kurze Abstiege und Gegenanstiege ist der Weg auch relativ eben.

[Bild: Marmolada 3343 m. von Norden]

[Bild: auf dem Bindelweg (Viel del Pan) zwischen Rifugio Fredarola und Rifugio Viel del Pan, rechts der Col del Cuc 2558 m.]

Ständig schauen wir zur Marmolada, die die Blicke wie magisch anzieht. Wir gehen den erdigen Weg weiter bis wir das auf einer Bergschulter stehende Rifugio Viel del Pan 2432 m. erreichen. Eine stark besuchte Hütte, die sich allerdings auf Tagesgäste spezialisiert hat (nur 14 Betten)  -  Wir stärken uns ein wenig und gehen dann weiter. An den Osthängen des Sasso Cappello 2557 m. steigen wir auf dem nun etwas schmaleren Weg ein Stück ab. Auf gut markiertem, angelegtem Weg geht es eben weiter, bis wir einen Sattel erreichen.

[Bild: Marmolada 3343 m. von Norden]

Wir folgen dem Bindelweg bis wir eine Abzweigung erreichen. Von hier kann man das Rifugio Porta Vescovo, sowie den höchsten Gipfel des Padònkammes: La Mesola 2727 m. erreichen. Wir wenden uns nach rechts. Ab jetzt steigen wir nur noch bergab. Über Wiesenhänge steigen wir rasch abwärts. Schließlich erreichen wir auch wieder die Baumgrenze. Zum ersten Mal seit Tagen berühre ich wieder einen Baum. Durch den lichten Nadelwald steigen wir in Kehren Richtung Süden ab. Ein Stück weiter unten müssen wir eine steile Felszone gen Osten queren.

[Bild: Oberhalb des Lago di Fedaia, rechts die Ausläufer der Marmolada]

Die letzten 200 Meter hinunter zum Lago di Fedaia führen in Kehren durch eine steile, bewaldete Bergflanke. Der Weg hinunter zum See ist steil, aber in gutem Zustand und immer durchgehend markiert. Schließlich erreichen wir die Fedaia – Passstraße. Unterdessen hat es leicht zu regnen begonnen. Wir beeilen uns und erreichen das Rifugio Marmolada 2053 m. bevor es anfängt stärker zu regnen. Wir machen eine ausgiebige Pause und bewundern die mächtige Marmolada. Sie ist mit Sicherheit einer der wuchtigsten und massigsten Berge die ich je gesehen habe.

[Bild: Lago di Fedaia Staumauer, darüber erhebt sich die gigantische Marmolada 3343 m.]

Nachdem es aufgehört hat zu regnen machen wir uns auf Richtung Marmolada. Unser Ziel ist das Rifugio Pian dei Fiacconi 2625 m.  -  unterhalb des Ghiacciaio della Marmolada (Marmolada Gletscher) gelegen. Im Osten erkennen wir die fantastische Civetta 3220 m. Wir überqueren die Staumauer des Sees und folgen der Straße bis wir das Rifugio alla Seggiovia 2100 m. sowie die Talstation des Liftes erreichen. Zum insgesamt dritten Mal während des Dolomiten Weitwanderwegs (und auch zum letzten Mal) nehmen wir die Hilfe eines Liftes (bzw. einer Stehgondelbahn  „Telecabina“) in Anspruch. Der Lift befördert uns von 2100 auf 2625 m. direkt zur Hütte.

[Bild: Rifugio Pian dei Fiacconi, im Hintergrund der Ghiacciaio della Marmolada]

Auch wenn ich grundsätzlich gegen Lifte und Seilbahnen bin, in diesem Fall erleichtert es die Angelegenheit ungemein.Oben angekommen springen wir aus der Stehgondelbahn und betreten die Hütte, die direkt neben der Liftstation liegt. Das Rifugio Pian dei Fiacconi ist eine relativ kleine, private Hütte (25 Lager) die besonders vom Lift und den damit verbunden Tagesgästen lebt. Von der Hütte aus kann die Marmolada, entweder über den vergletscherten Normalweg oder über den Klettersteig bestiegen werden. Dieser ist jedoch zugeschneit und damit wahrscheinlich auch vereist. Damit ist er kein Thema für uns. Wir werden die Marmolada umrunden müssen. Das Wetter hat sich unterdessen wieder gebessert. Der Gipfel der Marmolada Punta di Penia 3343 m. bleibt jedoch in den Wolken.

[Bild: Piz Boè 3152 m. vom Rifugio Pian dei Fiacconi]

Wir besorgen uns unser Zimmer und verbringen den restlichen Tag damit zu entspannen, die Aussicht zu genießen (das Rifugio Pian dei Fiacconi hat eine wahrlich atemberaubende Lage) und den morgigen Tag zu planen. Der morgige Tag wird uns zum Rifugio Contrin 2016 m. führen. Dabei werden wir unter der kompletten Marmolada Südwand entlang wandern. Ein wenig enttäuscht, dass es aus der Marmolada nichts wird, gehe ich schließlich schlafen. Schließlich überwiegt jedoch die Freude über das Erreichte und über das, was noch bevor steht:  Die Berge südlich der Marmolada um die Cima d`Ombretta 3011 m. und den Sasso Vernale 3054 m.

 

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